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Goodbye, Sparschwein!

Das Weihnachtsgeschenk für Oma, eine Kugel Eis, ein Kirmesbesuch mit Freunden – bereits als Kind lernen wir, für Dinge, die wir haben möchten, Geld auszugeben. Ob man auch ohne Geld leben kann, hat die Bonner Student in Sina Kaufmann fünf Monate lang getestet.

Am 1. Mai 2007 war es soweit: Sina Kaufmann startete in ein Leben ohne Geld. Ein Experiment, mit dem sie nicht immer auf Verständnis stieß. Bevor es jedoch richtig losging, musste sich die Studentin einer Sache entledigen: ihres Ersparten. „Alle meine Konten und kleinen Ersparnisse habe ich weggegeben oder in Expeditionsausrüstung investiert“, erinnert sich die blonde Rheinländerin.
Der Ausdruck  „Expeditionsausrüstung“ mag recht abenteuerlich klingen, aber genau das ist es, was die Zeit ohne Geld für die 21-Jährige war. Als ehemalige Schülerin des internationalen Elite-Internats „Salem International College“, wo ein Schuljahr bis zu 30.480 Euro kosten kann, kommt Sina aus einem Umfeld, in dem „alles im Überfluss vorhandenen“ sei. Umso erstaunlicher, dass jemand aus solchen Verhältnissen plötzlich all seine Konten auflöst, sein letztes Geld in eine Bahn Card 100 investiert und beschließt, fortan ohne Geld zu leben. Warum?

Die Studentin meint: „Wir trauen uns zu wenig zu, agieren meist nur in einem vorgegebenen Rahmen. Alles muss schon mal funktioniert haben. Am liebsten ist es uns, wenn es statistisch betrachtet wahrscheinlich und schnell klappt.“ Wieso also nicht einmal etwas wagen, von dem man nicht vorher hundertprozentig weiß, ob es funktioniert? Sich beispielsweise in ein Café setzen, einen Latte Macchiato trinken und beim Kassieren sagen: „Tut mir leid, aber ich führe ein Leben ohne Geld.“ Sina sah dies als Herausforderung an ihre Kommunikationsfähigkeit, Kreativität und Flexibilität. Eigenschaften, die der Studentin während ihres Experiments dann auch in regelmäßigen Abständen abverlangt wurden – zum Beispiel, als sie an einem Nachmittag im Berliner Stadtpark Friedrichshain plötzlich auf die Toilette musste, ein Biergarten von Nicht-Gästen allerdings 50 Cent für deren Nutzung verlangte.

Auf ihre Ausrede „Ich habe kein Geld, kann Ihnen aber diesen Schokotaler geben“, erntete Sina von einer älteren Dame immerhin einen belustigten Blick und wurde letztlich für ihren Einsatz mit „freiem Eintritt belohnt“.

Die Mischung aus jugendlichem Charme, Kreativität und Überredungskunst brachte sie jedoch nicht immer ans Ziel. Freien Eintritt gab es bei einer Tagung, für die Sina keinen Teilnehmerbetrag zahlen wollte, nämlich nicht. Ein Dozent verwies sie kurzerhand der Veranstaltung. Aber auch das muss man hinnehmen, wenn man sich so experimentierfreudig gibt.  „Natürlich war ich damals sehr enttäuscht, ich war schließlich extra aus Berlin angereist. Doch ich wollte nicht unnötigen Ärger anzetteln, sondern erleben und lernen. Dazu gehörte in diesem Fall, mich zu fügen und den Rauswurf zu akzeptieren.“

Von dem zu leben, was andere gerne geben, oder für alles, was man möchte, eine Gegenleistung zu erbringen, ist nicht immer leicht. Wären Familie und Freunde nicht da gewesen und hätten während des Experiments für Unterkunft und Verpflegung gesorgt, wäre das Durchhalten wohl komplizierter geworden, aber „es war und bleibt ein ganz persönlicher Versuch, der in erster Linie mir ganz, ganz viel gezeigt und eröffnet hat“, fasst Sina den Erkenntnisgewinn ihres „Kunstprojekts“ zusammen. „Das Experiment hat mich auf die Probe gestellt, mich herausgefordert und mich viel Kraft, Mut und Durchhaltevermögen gekostet. Ich habe Momente erlebt und Ideen entwickelt, die ich mit aller Kraft verfolgen werde. Aber Hunger, Durst und komplizierte Lösungen für einfache Fragen sind jetzt erstmal passé.“ Anfang September brach Sina ihren Selbstversuch ab -–“ohne Geld in den Taschen, aber um jede Menge Erfahrungen reicher.“

Könntest du auch ohne Geld leben?

  •  Ich könnte mir nicht vorstellen, ohne Geld zu leben. Woher sollte ich mein Essen bekommen? Heutzutage hat doch niemand etwas zu verschenken. Wenn ich von heute auf morgen sparen müsste, würde ich als erstes mit dem Rauchen aufhören. Felix Schnabel, 18, Schüler aus Rostock
  • Bei mir läuft ohne Geld gar nichts. Meine Fahrkarte kostet Geld, meine Handyrechnung fl attert monatlich ins Haus und auch die Miete muss ich bezahlen. Was ich einschränken würde, wäre das Weggehen. Auf alles andere kann man einfach nicht verzichten. Und schnorren oder betteln wäre für mich keine Alternative. Da würde ich lieber mit dem Fahrrad fahren oder mir einen Nebenjob suchen.“ Uta Bosin, 22, Berufsschülerin aus Leipzig
  • Ein Leben ohne Geld kann ich mir in der heutigen Zeit nicht vorstellen. Überall werden wir mit Kosten konfrontiert und auch wenn es manchmal schöner wäre, von „Luft und Liebe“ zu leben, würde dies nicht der Realität entsprechen. Wenn ich mich finanziell einschränken müsste, dann bei Klamotten oder Büchern. Betteln oder anderen auf der Tasche liegen kämen für mich nur im allernötigsten Notfall in Frage.“ Anja Kujawski, 19, Schülerin aus Bredstedt

Erscheinen bei UNICUM ABI – online lesen