Goodbye, Sparschwein!

Das Weihnachtsgeschenk für Oma, eine Kugel Eis, ein Kirmesbesuch mit Freunden – bereits als Kind lernen wir, für Dinge, die wir haben möchten, Geld auszugeben. Ob man auch ohne Geld leben kann, hat die Bonner Student in Sina Kaufmann fünf Monate lang getestet.

Am 1. Mai 2007 war es soweit: Sina Kaufmann startete in ein Leben ohne Geld. Ein Experiment, mit dem sie nicht immer auf Verständnis stieß. Bevor es jedoch richtig losging, musste sich die Studentin einer Sache entledigen: ihres Ersparten. „Alle meine Konten und kleinen Ersparnisse habe ich weggegeben oder in Expeditionsausrüstung investiert“, erinnert sich die blonde Rheinländerin.
Der Ausdruck  „Expeditionsausrüstung“ mag recht abenteuerlich klingen, aber genau das ist es, was die Zeit ohne Geld für die 21-Jährige war. Als ehemalige Schülerin des internationalen Elite-Internats „Salem International College“, wo ein Schuljahr bis zu 30.480 Euro kosten kann, kommt Sina aus einem Umfeld, in dem „alles im Überfluss vorhandenen“ sei. Umso erstaunlicher, dass jemand aus solchen Verhältnissen plötzlich all seine Konten auflöst, sein letztes Geld in eine Bahn Card 100 investiert und beschließt, fortan ohne Geld zu leben. Warum?

Die Studentin meint: „Wir trauen uns zu wenig zu, agieren meist nur in einem vorgegebenen Rahmen. Alles muss schon mal funktioniert haben. Am liebsten ist es uns, wenn es statistisch betrachtet wahrscheinlich und schnell klappt.“ Wieso also nicht einmal etwas wagen, von dem man nicht vorher hundertprozentig weiß, ob es funktioniert? Sich beispielsweise in ein Café setzen, einen Latte Macchiato trinken und beim Kassieren sagen: „Tut mir leid, aber ich führe ein Leben ohne Geld.“ Sina sah dies als Herausforderung an ihre Kommunikationsfähigkeit, Kreativität und Flexibilität. Eigenschaften, die der Studentin während ihres Experiments dann auch in regelmäßigen Abständen abverlangt wurden – zum Beispiel, als sie an einem Nachmittag im Berliner Stadtpark Friedrichshain plötzlich auf die Toilette musste, ein Biergarten von Nicht-Gästen allerdings 50 Cent für deren Nutzung verlangte.

Auf ihre Ausrede „Ich habe kein Geld, kann Ihnen aber diesen Schokotaler geben“, erntete Sina von einer älteren Dame immerhin einen belustigten Blick und wurde letztlich für ihren Einsatz mit „freiem Eintritt belohnt“.

Die Mischung aus jugendlichem Charme, Kreativität und Überredungskunst brachte sie jedoch nicht immer ans Ziel. Freien Eintritt gab es bei einer Tagung, für die Sina keinen Teilnehmerbetrag zahlen wollte, nämlich nicht. Ein Dozent verwies sie kurzerhand der Veranstaltung. Aber auch das muss man hinnehmen, wenn man sich so experimentierfreudig gibt.  „Natürlich war ich damals sehr enttäuscht, ich war schließlich extra aus Berlin angereist. Doch ich wollte nicht unnötigen Ärger anzetteln, sondern erleben und lernen. Dazu gehörte in diesem Fall, mich zu fügen und den Rauswurf zu akzeptieren.“

Von dem zu leben, was andere gerne geben, oder für alles, was man möchte, eine Gegenleistung zu erbringen, ist nicht immer leicht. Wären Familie und Freunde nicht da gewesen und hätten während des Experiments für Unterkunft und Verpflegung gesorgt, wäre das Durchhalten wohl komplizierter geworden, aber „es war und bleibt ein ganz persönlicher Versuch, der in erster Linie mir ganz, ganz viel gezeigt und eröffnet hat“, fasst Sina den Erkenntnisgewinn ihres „Kunstprojekts“ zusammen. „Das Experiment hat mich auf die Probe gestellt, mich herausgefordert und mich viel Kraft, Mut und Durchhaltevermögen gekostet. Ich habe Momente erlebt und Ideen entwickelt, die ich mit aller Kraft verfolgen werde. Aber Hunger, Durst und komplizierte Lösungen für einfache Fragen sind jetzt erstmal passé.“ Anfang September brach Sina ihren Selbstversuch ab -–“ohne Geld in den Taschen, aber um jede Menge Erfahrungen reicher.“

Könntest du auch ohne Geld leben?

  •  Ich könnte mir nicht vorstellen, ohne Geld zu leben. Woher sollte ich mein Essen bekommen? Heutzutage hat doch niemand etwas zu verschenken. Wenn ich von heute auf morgen sparen müsste, würde ich als erstes mit dem Rauchen aufhören. Felix Schnabel, 18, Schüler aus Rostock
  • Bei mir läuft ohne Geld gar nichts. Meine Fahrkarte kostet Geld, meine Handyrechnung fl attert monatlich ins Haus und auch die Miete muss ich bezahlen. Was ich einschränken würde, wäre das Weggehen. Auf alles andere kann man einfach nicht verzichten. Und schnorren oder betteln wäre für mich keine Alternative. Da würde ich lieber mit dem Fahrrad fahren oder mir einen Nebenjob suchen.“ Uta Bosin, 22, Berufsschülerin aus Leipzig
  • Ein Leben ohne Geld kann ich mir in der heutigen Zeit nicht vorstellen. Überall werden wir mit Kosten konfrontiert und auch wenn es manchmal schöner wäre, von „Luft und Liebe“ zu leben, würde dies nicht der Realität entsprechen. Wenn ich mich finanziell einschränken müsste, dann bei Klamotten oder Büchern. Betteln oder anderen auf der Tasche liegen kämen für mich nur im allernötigsten Notfall in Frage.“ Anja Kujawski, 19, Schülerin aus Bredstedt

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Ordentlich was auf die Ohren

Statt Artikel für die Schülerzeitung zu verfassen, produzieren immer mehr Schüler ihre eigene Radiosendung. UNICUM ABI hat gelauscht bei „Frings on Air“, dem Schülerradio des Kardinal-Frings-Gymnasiums Bonn-Beuel.

Schüler mit eigener Radiosendung

Jugendlich, frech und frisch kommt es daher, das Programm der jungen Radiomacher von „Frings on Air“. Fröhliche Jingles, spannende Interviews und zahlreiche Hintergrundberichte machen den Sender ebenso aus wie die bunte Mischung aus Musik und Nachrichten. Doch was für den Zuhörer so einfach klingt, kann manchmal ganz schön stressig sein. Zwischen Hausaufgaben und Mathetest, Fahrstunde und Fußballtraining hat das junge Moderatoren- Team allerhand zu tun, bis es eine 30-minütige Sendung auf die Beine gestellt hat.

Nicht immer einfach – viel Arbeit

Alle Sendungen werden ganz genau geplant und strukturiert. Bevor wir im Radio laufen, müssen wir klären, welche Musik wir spielen, welche Themen für unsere Hörer interessant sind und wann wir an- oder abmoderieren, berichtet Nachwuchsreporter Florian Knobloch. Bis zum Sommer war er Chefredakteur bei „Frings on Air“ . Nach seinem Abitur sorgen nun jüngere Mitschüler dafür, dass es regelmäßig etwas auf die Ohren gibt. Nicht immer ganz einfach, drücken doch alle Beteiligten noch die Schulbank. Nach Unterrichtsschluss und in den Pausen recherchiert das etwa zehnköpfige Team auf Veranstaltungen wie dem Weltjugendtag oder lässt Prominente, wie den finnischen Rock-Musiker Ville Valo oder RTL-Nachrichtenchef Peter Klöppel, Grüße an die Hörer richten.

Sensibilisieren für den eigenen Medienkonsum

Wie man einen richtig guten Hörbeitrag produziert, müssen die meisten Schüler allerdings erst lernen. Viele jugendliche Radiomacher besuchen deshalb Seminare von Jugendmedienvereinen, freien Bildungsträgern oder Offenen Kanälen. Andreas Guballa leitet den Offenen Kanal Westküste und hat häufig mit Jugendlichen zu tun, die sich in den Seminaren des Senders den letzten Schliff verpassen lassen. „Viele Schüler probieren sich zwar zuhause an verschiedenen Schnittprogrammen aus, berichtet Guballa. Wie man einen Audio-Beitrag richtig schneidet oder perfekte Überspieler macht, lernen sie dann meist erst bei uns“. Grund für die relativ geringen Vorkenntnisse im Umgang mit dem Medium Radio sei die schlechte technische Ausstattung deutscher Schulen. Teures Radioequipment könne sich kaum eine Schule leisten. „Dabei“, so Michael Hallermayer, Vorstandsmitglied der Jugendpresse Deutschland e.V., „bieten Schülerradios eine gute Möglichkeit, Jugendliche für ihren eigenen Medienkonsum zu sensibilisieren. Die aktive Auseinandersetzung mit Medien eröffnet Schülern die verschiedensten Wege, demokratisches Handeln zu erlernen. Durch Engagement, Mitdenken und das Gestalten eines eigenen Produktes lernen sie oft viel mehr als durch sturen Frontalunterricht.“

Experimentieren im VordergrundDas Experimentieren und Ausprobieren ist es auch, was Florian und viele andere Teenager so sehr an der Radioarbeit reizt. Man kann über Dinge berichten, die für Redaktion und Hörer von Bedeutung sind, spielt Musik, die man sonst vielleicht nicht zu hören bekommt, und enthüllt Skandale, die möglicherweise nur Schüler interessieren. „Unsere Sendung setzt sich meist aus einem schulischen und einem außerschulischen Beitrag zusammen“, erklärt Florian Knobloch das Erfolgsrezept des Projekts. „Zusätzlich gibt es die Rubrik „hautnah“, in der wir regelmäßig Kurzinterviews mit Persönlichkeiten unserer Schule durchführen, und natürlich jede Menge Musik.““Keine Live-SendungEinziger Unterschied zu den professionellen Sendeanstalten: „Frings on Air“ sendet nicht live. Die Sendungen produziere man zwar auf diesem Wege, da die Ausstrahlung jedoch über den Bürgerfunk erfolge, sei eine Live- Sendung nicht möglich. Um presserechtlich relevante Inhalte vor der Ausstrahlung überprüfen zu lassen, liefern die jungen Radiomoderatoren ihre aktuelle Sendung bereits einige Tage vorher zur Kontrolle bei Radio NRW ab. Sind die Verantwortlichen mit den Inhalten der Sendung zufrieden, kann man das fertige Produkt im Radio Bonn/ Rhein-Sieg hören.

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Kurzinterview: Vom Rückspuler zum Radiostar

1Live-Moderator Olli Briesch spricht über seinen Tagesrhythmus während einer Sendewoche und wie er überhaupt zum Radio gekommen ist. Ein Journalismusstudium oder ein Volontariat sind dabei nicht immer die besten Einstiegsvoraussetzungen.

 Viele Jugendliche wollen etwas im Medienbereich machen. Wie bist du zum Radio gekommen?
Es hat alles mit einer klassischen Zeitungsannonce angefangen, in der ein Student als Kassettenrückspuler und Redaktionsassistent gesucht wurde. Das hieß: Morgens Frühdienst, dann Vorlesungen. Erst war es ein Job neben dem Studium, irgendwann war die Uni der Nebenjob. Der weitere Weg war eine Kombination aus richtigen Gelegenheiten, Fleiß und Menschen, die mir Tipps und ihr Vertrauen gegeben haben.

Welche Eigenschaften sollte ein guter Radiomoderator unbedingt mitbringen, welche lieber zu Hause lassen?
Für mich ist das Wichtigste, dass ein Moderator authentisch ist und sich nicht verstellt. Das unterscheidet ihn vom Kirmes-DJ oder dem Ansager der Dorfmodenschau, der mit buntem Sakko ins Mikro näselt. Ein Radiomoderator sollte ein Mensch sein, dem man gerne zuhört, weil er Interessantes oder auch Lustiges zu sagen hat und unter „Personality“ nicht versteht, möglichst oft den eigenen Namen zu sagen. Menschen, die extrem gerne im Mittelpunkt stehen und sich gerne selbst beim Reden zuhören, sind eher nicht gefragt.

Wie sieht dein typischer Arbeitstag aus?
Der beginnt recht früh: Um 3.45 Uhr klingelt der Wecker, kurz nach vier Ankunft im Sender. Zeitungen, Agenturen lesen, Redakteur anmotzen, mit den Reportern ihre Beiträge besprechen und um fünf Uhr geht‘s zum verbalen Kaltstart in die Sendung, die dann bis zehn dauert. Danach Redaktionskonferenz bis 10.30 Uhr und Planung für den nächsten Tag. Nach zwei Stunden Mittagsschlaf geht es oft noch mal kurz ins Studio, um die Sendung für den nächsten Tag zu besprechen, die das Redaktionsteam tagsüber geplant hat.

Hat es auch Nachteile beim Radio zu arbeiten und wenn ja, wie gehst du damit um?
In den Sendewochen leiden die sozialen Kontakte ein wenig, oder der gesunde Schlaf. Beides geht oft schlecht zusammen. Wenn abends ein wichtiges Konzert ist, über das wir morgens berichten, will ich trotzdem dabei sein und feiern.

Da müssen auch schon mal drei Stunden Schlaf reichen. Welche Tipps gibst du Jugendlichen, die auch zum Radio wollen?
Es führen die verschiedensten Wege zu diesem Beruf, aber keine klassische Ausbildung. Natürlich kann man ein journalistisches Volontariat absolvieren oder Journalismus studieren. Das ist aber keine Garantie für einen Einstieg oder Erfolg als Moderator. Viele Kollegen sind, genau wie ich, so genannte Quereinsteiger und haben vorher teilweise etwas komplett anderes gemacht. Mein Tipp: Bei einem kleinen Radiosender anfangen, nie sagen, dass man unbedingt Moderator werden will, und dann auf die richtige Gelegenheit warten.

Dein Plädoyer fürs Radio. Warum nicht mp3-Player, Internet oder TV?
Mein iPod liefert mir zwar zu 100 Prozent meinen Musikgeschmack, aber er bringt mich morgens nicht zum Lachen, er informiert mich nicht und die emotionale Bindung hält sich arg in Grenzen. Das Internet ist mir zu unemotional, oft zu informationsüberladen und austauschbar. TV ist schlecht beim Duschen morgens und spielt zu wenig Musik.

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Unplugged: Eine Woche ohne Internet, Handy & Co.

Ein Leben ohne E-Mails, SMS und die Lieblingsserie im Fernsehen – paradiesischer Zustand oder unerträglicher Alptraum? UNICUM ABI Autorin Carolin Mader stellte sich selbst auf die Probe.

Meine Familie hat sich in den Urlaub verabschiedet. Die perfekte Gelegenheit, um mein Experiment zu starten: Eine Woche lang will ich den Fernseher mit Missachtung strafen, meinen Computer ignorieren und kein Handy in die Hand nehmen. Vor mir liegen sieben Tage vollkommener Ruhe: Ruhe vor Stars, die ihren Einzug in den Frauenknast zelebrieren, Ruhe vor verzweifelten Freundinnen, die mir die Ohren voll jammern, und Ruhe vor meinem PC, der alle paar Minuten neue Post verkündet. Klingt verlockend, oder?

Freitag

Es ist soweit. Heute soll mein großes Vorhaben beginnen. Warum ich ausgerechnet einen Freitag für den Start meines Experiments gewählt habe? Das ist pure Berechnung. Erstens: An Freitagabenden hat man meist nicht mehr viel Lust, sich an den Computer zu setzen und zu arbeiten. Zweitens: Es kommen selten richtig gute Filme im Fernsehen. Die Versuchung zur Fernbedienung zu greifen hält sich also in Grenzen. Stattdessen greife ich ins Bücherregal. In den vergangenen Wochen hat sich dort einiges angesammelt. Nun habe ich endlich die nötige Zeit zum Lesen und mache es mir mit einem Mitbringsel aus der Londoner Buchhandlung „Waterstone“ auf meinem Bett gemütlich. Das Buch ist gut und die Zeit vergeht so schnell, dass ich gar nicht bemerke, wie ich während des Lesens einschlafe.

Samstag

Mit dem Buch im Arm wache ich am nächsten Morgen auf. Irgendwas ist anders. Nach kurzem Grübeln fällt es mir ein: Meine Stereo-Anlage ist nicht von alleine angesprungen, um mich zu wecken. Mit einem Schulterzucken verschwinde ich ins Badezimmer, danach geht es zum Briefkasten. Dort wartet bereits die Zeitung auf mich, der ich mich heute mal etwas ausführlicher widmen werde. Schließlich habe ich Zeit. Es erwarten mich weder flehende ICQ-Nachrichten, noch telefonische Anfragen wie „Na, was machen wir heute?“ Wer an diesem Wochenende etwas von mir will, muss schon vorbeikommen. Am späten Nachmittag wird mir klar, dass das heute wohl nicht mehr passieren wird. In Erwartung eines weiteren ruhigen Abends besorge ich mir Klebestreifen fürs Fotoalbum. Ich zahle in bar – die EC-Karte erscheint mir zu technisch. Zurück zuhause wühle ich mich dann durch Urlaubsfotos, sortiere nach Jahr und Ort. Exakt zwei Stunden halte ich durch, dann ist mein Fuß eingeschlafen und ich habe keine Lust mehr. Genervt lege ich mich ins Bett bis mich ein jähes Klingeln aus dem Schlaf reißt …

Sonntag

Es war da, es hat geklingelt, ich habe es ganz genau gehört. Langsam wird es wirklich komisch, nichts von der Außenwelt zu hören. Aber einfach so in die Stadt fahren und riskieren, dass niemand zu Hause ist, finde ich doof. Warum bin ich bloß während meines Experiments nicht weggefahren? Im Urlaub langweilt man sich nie. Man besichtigt Museen, lümmelt am Strand, geht feiern und das Wichtigste, man fährt meistens mit jemandem zusammen. Alleine zu sein ist irgendwie nicht mein Ding. Doch nach zehn Minuten Genörgel sucht sogar meine Katze das Weite. Kein Wunder! Ich sollte einfach das Positive sehen. Ich habe Zeit für all die Dinge, die in letzter Zeit auf der Strecke geblieben sind. Kleiderschrank ausmisten, auf Shoppingtour gehen, lesen, Briefe schreiben, auf der Terrasse liegen und einfach mal die Seele baumeln lassen. Hoffentlich reichen die übrigen vier Tage überhaupt dafür

Montag

Nachdem ich gestern einen kleinen Durchhänger hatte, genieße ich die Ruhe heute umso mehr. Am Vormittag widme ich mich meinem Kleiderschrank. Ich wusste gar nicht, wie viel Chaos sich in so einem Ding ansammeln kann. Bis zum frühen Nachmittag bin ich damit beschäftigt, verschollen geglaubte Schätze wieder zu finden und alte Klamotten für das Rote Kreuz zu verpacken. Ich vermisse nichts, weder mein Handy, noch Fernsehen oder Internet. Erst als der Zeiger meiner Uhr sich in Richtung 15 Uhr bewegt, denke ich an meine Lieblingsserie, die heute leider ohne mich laufen muss. Ich setze mich stattdessen mit Block und Stift auf die Terrasse und lasse meiner Phantasie freien Lauf.

Dienstag

Inzwischen vermisse ich den Weckruf meiner Stereo-Anlage gar nicht mehr. Ruhe ist schon was Feines, allerdings muss ich unbedingt mal wieder unter Leute. Die Welt könnte untergehen und ich würde nichts davon mitbekommen. Ich mache mich also auf den Weg in die Stadt und siehe da, direkt vor meiner Lieblingsbuchhandlung läuft mir eine Freundin in die Arme. Der Tag ist gerettet. Kaffee trinken, klatschen, tratschen, Shopping- Tour und am Abend mit leerem Portmonee nach Hause. So macht das Leben Spaß.

Mittwoch

Mein Vormittag verläuft relativ unspektakulär. Nach dem Aufstehen folgt das übliche Programm: Faulenzen bis der Arzt kommt, heute gepaart mit dem Wälzen des IKEA-Katalogs. Bunte Kissen, lustige Accessoires und Deko-Ideen lassen jedes Frauenherz höher schlagen. Aber irgendwie wird es mir dann doch zu langweilig. Gut, dass sich meine Großeltern bereits vor meinem Experiment zum Kaffee angemeldet haben. Ich wirble durch die Küche, backe eine Ananas-Joghurt-Torte, werfe den Staubsauger an und bringe das Haus auf Hochglanz. Nach dem Besuch von Omi und Opi bin ich ganz schön K.O., trotzdem gehe ich noch zu unserem wöchentlichen Mädels-Abend aber heute bleibt dabei der Fernseher aus!

Donnerstag

Mein einziger Gedanke gilt heute all den Dingen, auf die ich in den letzten sieben Tagen verzichten musste. Musste? Nun gut, es war meine Idee zu sagen: „Ich brauche keine Unterhaltungstechnik, ich unterhalte mich selbst am besten.“ Auf die Dauer ist es aber irgendwie schon nervig, vollkommen ohne Handy, PC, MP3-Player und Fernseher zu leben. Man weiß nicht, was in der Welt passiert und kann einfach nicht mitreden. Noch mal muss ich das nicht haben. Ich bin heute ungewohnt nervös, kann mich nicht richtig konzentrieren und würde mich jemand ansprechen, würde er sich wahrscheinlich denken: „Was für ’ne launische Zicke!“ Sind das Entzugserscheinungen?

Donnerstag, 24 Uhr

Wow! Ich habe es ausgehalten, aber jetzt hält mich nichts mehr. Ich schalte alle Geräte, die ich finden kann auf einmal an, surfe durchs Netz, lese E-Mails und SMS-Nachrichten und lasse den Fernseher laufen, nur um zu sehen, dass er noch funktioniert. Welt, du hast mich wieder!

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Bewerbungen meistern: Angst vor Englisch

Englisch im Vorstellungsgespräch? Für viele Jobsuchende ein Horror. Was zu beachten ist, wenn der Personaler die Sprachkenntnisse auf ihren Wahrheitsgehalt prüft.

Wer sich bei internationalen Unternehmen um einen Job bewirbt, muss damit rechnen, dass die guten Englischkenntnisse nicht nur vorausgesetzt, sondern auch getestet werden. Fließend und verhandlungssicher – viele Personalchefs prüfen im Vorstellungsgespräch, ob die genannten Sprachkenntnisse wirklich zutreffend sind.

Während Wegbeschreibungen für verirrte Touristen oder die Bestellung im Urlaub leicht von der Hand gehen, stellt das englischsprachige Bewerbungsgespräch für so manchen ein unüberwindbares Hindernis zum Traumjob dar. Besonders, wenn der Wechsel zwischen den Sprachen überraschend erfolgt, bricht bei vielen Bewerbern Panik aus.

Schwitzige Hände, nervöse Flecken, hilfloses Stammeln. Tom Wendt, Vorstandsmitglied eines großen Unternehmens, hat viele qualifizierte Kandidaten scheitern sehen, wenn er die Kandidaten mit Bestnoten und Traumarbeitszeugnissen unvermittelt im Bewerbungsgespräch aufforderte: “Let’s speak English, now”. „Viele Bewerber legen sich die Antworten auf mögliche Fragen zwar auf Deutsch zurecht, aber nur wenige rechnen damit, dass wir sie auf Englisch oder je nach Stelle auch in anderen Fremdsprachen nach ihren Erfahrungen befragen.“

In international tätigen Unternehmen oder Tochterunternehmen weltweiter Konzerne gehört es jedoch für Bewerber zum guten Ton, tadellose Englischkenntnisse auch spontan unter Beweis stellen zu können. Meist wissen die Jobbewerber gar nicht, ob ihre Englischkenntnisse fließend sind und wann verhandlungssicher. Viele schätzen sich zu gut ein oder tricksen.

Wer sich nicht sicher ist, welches Sprachlevel er hat, kann sich an den sechs Niveaustufen orientieren, welche die Association of Language Testers in Europe (ALTE) geschaffen hat. Von Anfänger (A1) bis fast muttersprachliche Kompetenz (C2), beschreibt die Tabelle, die einen Referenzrahmen für das Sprachniveau innerhalb der Europäischen Gemeinschaft bildet, welche Kenntnisse innerhalb der einzelnen Stufen von einem Bewerber erwartet werden können. Gibt ein Kandidat in seiner Bewerbung die Kenntnisstufe C2 an, so muss er laut Referenzrahmen in der Lage sein, „mit akademisch oder kognitiv anspruchsvollem Material umzugehen und Sprache mit gutem Erfolg auf einem Leistungsniveau zu benutzen, das in mancher Hinsicht fortgeschrittener sein mag als das eines durchschnittlichen Muttersprachlers“.

Annika Pabsch ist selbstständige Dozentin für Business Englisch und hat im britischen Bath sowie in Brüssel Englischkurse für Absolventen und Berufstätige gegeben. In ihren Seminaren vermittelt sie Bewerbern, wie sie Personalchefs von sich und ihren Sprachkenntnissen überzeugen und ihre Sprachkenntnisse schnell und effektiv aufpolieren können. Am Wichtigsten, sagt die Expertin, sei eine professionelle und auf das jeweilige Unternehmen abgestimmte Vorbereitung. „Bevor ich ins Bewerbungsgespräch gehe, muss ich als Bewerber wissen, wie das Unternehmen aufgebaut ist, welche aktuellen Entwicklungen in der Branche vor sich gehen, wie das Unternehmen funktioniert. Habe ich all diese Informationen gesammelt, kann ich mich inhaltlich und sprachlich auf das eigentliche Gespräch vorbereiten.“

Für die Expertin heißt das, den Lebenslauf zu verinnerlichen und zu übersetzen. „Ist man ganz unsicher, kann man Englischstunden nehmen. In jeder Stadt gibt es Englischlehrer, bei denen man individuelle Sitzungen buchen kann, um sich vor dem Bewerbungsgespräch intensiv auf dieses vorzubereiten“, rät sie. Auch Rollenspiele mit Freunden können helfen, mehr noch, wenn diese auf Kamera aufgenommen und anschließend angeschaut werden. Diese Übung gebe den Bewerbern, für die ein deutschsprachiges Bewerbungsgespräch bereits eine Stresssituation darstelle, Sicherheit und einen Anknüpfungspunkt für Verbesserungen. Annika Patsch rät davon ab, nur Grammatik und Vokabeln zu pauken. „Einzelne Worte, die man für seine Tätigkeitsbeschreibung braucht, sind in Ordnung, aber das Auswendiglernen ganzer Wörterlisten oder komplizierter Grammatikregeln bringen nichts außer totaler Verunsicherung, denn die Vokabeln vergisst man während des Vorstellungsgespräches garantiert“, sagt sie. Besser sei es, verschiedene Gesprächssituationen  zu üben oder englische Texte zu lesen. Dazu eignen sich englische Newssites, wie die des Guardian, der New York Times oder der BBC. Dies trage dazu bei, sich Satzstrukturen leichter und unbewusst zu erschließen – Fähigkeiten, von denen man im Gespräch profitiert.

Sprachkenntnisse allein sind aber noch kein Garant für den Erfolg der Bewerbung. Gerade in englischsprachigen Unternehmen dreht sich alles um die berufliche Erfahrung. Titel und Auszeichnungen sind für den Personaler daher nicht so wichtig wie die eigentliche Tätigkeit des Bewerbers. „Zeugnisse und unzählige Bestätigungen können zu Hause bleiben, wenn man sich bei einem britischen oder amerikanischen Unternehmen um eine Anstellung bewirbt. Viel interessanter ist es für den Interviewer zu erfahren, welche Erfolge ein Bewerber vorweisen kann, welche Beziehungen oder Kontakte er in der Branche hat“, sagt Pabsch. Wer nicht nur mit Sprachkenntnissen, sondern auch Können und dem richtigen Profil von sich überzeugen kann, ist auf der Bewerbungsleiter schon ein ganzes Stück weiter. Der Rest ist dann wohl Sympathie und Glück.

Erschienen bei ZEIT ONLINE, Ressort Karriere – online lesen

Studium in London: Teuer, aber toll

Ein Studium in der britischen Hauptstadt ist beliebt wie nie. Trotz der drastisch erhöhten Studiengebühren steigt die Zahl der Bewerber an den 13 Londoner Hochschulen.

Bis Englands Ex-Premierminister Tony Blair im vergangenen Jahr die Erhöhung der Studiengebühren für englische Universitäten durchboxen konnte, musste er nicht nur viel Kritik von Parteikollegen und Opposition einstecken, sondern auch von seiner eigenen Frau: „Hätte ich keine staatliche Unterstützung erhalten, um an die Universität zu gehen, hätte ich arbeiten müssen“, klagte die Juristin. Britische Hochschulexperten sahen die Studentenzahlen wegen der hohen Kosten bereits einbrechen.

Blairs Kritiker mussten nun feststellen, dass sie sich geirrt haben. Trotz eines massiven Anstiegs der Studiengebühren um bis zu 50 Prozent hoffen in diesem Jahr nämlich so viele Schulabgänger wie selten zuvor auf einen Studienplatz an einer der 13 Londoner Universitäten. „Im letzten Jahr haben sich 394.355 Schulabgänger um einen Studienplatz in London beworben. In diesem Jahr waren es ungefähr 495.000“, sagt Byron Price vom Universities and Colleges Admissions Service (UCAS), einer mit der deutschen ZVS vergleichbaren Institution im Vereinigten Königreich. Das Imperial College hat in diesem Jahr 1537 Bewerber mehr als im Vorjahr, und auch die Kingston University konnte einen Bewerberzuwachs von fast sechs Prozent verzeichnen. Ähnliche Entwicklungen vermelden die übrigen Hochschulen der Hauptstadt.

Richard Broom, Zulassungskoordinator an der Londoner City University, bestätigt den Trend zur wachsenden Studienbereitschaft für seine Hochschule. „Studenten sehen die Gebühren als eine kurzfristige Anlage mit langfristiger Wirkung.“ Auch den guten Ruf der jeweiligen Universität und die exzellenten Aussichten auf dem Arbeitsmarkt ließen sich die zukünftigen Akademiker gerne etwas kosten, sagt der Universitätsangestellte. „Studenten, die zu uns kommen, wissen, dass sie eine exzellente Ausbildung erwartet.“

Eine hervorragende Ausbildung ist es, was die Studienanfänger in der britischen Metropole suchen. Gleich nach Hauptstadtflair, Szeneclubs und Trendfaktor UK. Im landesweiten Vergleich gehören fast alle Londoner Unis neben Oxford und Cambridge zu den Top-Kandidaten in universitären Rankings.

Das lockte auch Jil Dallmayr an die Themse. Seit dem vergangenen Jahr studiert die 19-jährige Münchnerin an der City University Jura. „Natürlich ist die Stadt sehr teuer“, sagt sie. Zu den Studiengebühren kommen schließlich noch hohe Mieten, Kosten für Strom, Nahverkehr und die großen und kleinen Freuden des Studentenlebens.

Jährlich, so informiert der British Council Germany auf seiner Homepage, müssten Studenten in der teuersten Stadt der Europäischen Union mit bis zu 10.000 Pfund, zirka 15.000 Euro, rechnen, um die Kosten für ihren Grundbedarf zu decken. Dazu kommen für die Londoner Universitäten außerdem jährlich noch einmal 3070 Pfund, also etwas mehr als 4500 Euro, für die Studiengebühren, die sogenannten Tuition Fees.

Doch über 60.000 englische und internationale Studenten zeigen mit ihrer Bewerbung an einer Londoner Universität, dass sie diese Summe in Kauf nehmen. So auch Judith K.. An der „School of Oriental und African Studies“ (SOAS) nimmt die 21-Jährige aus Baden-Württemberg im Wintersemester ihr Studium der „African Studies“ auf. „Die SOAS gehört europaweit zu den besten Unis in meinem Fachbereich“, sagt sie. Den wahren Grund für ihre Entscheidung schiebt sie erst ein wenig später hinterher: „In erster Linie habe ich mich aber für London entschieden, weil ich die Stadt schon immer mochte.“

Auch Lucie Brochhausen aus Heidelberg kam nicht nur aus fachlichen Gründen nach England: „Die London Metropolitan University war Partner-Uni meiner vorherigen Universität, der Universiteit Maastricht, und hatte einfach das bessere Fächerangebot. Da ich schon lange für England, Engländer und den englischen Akzent schwärme, ergab sich daraus mein Wechsel.“ Seit mittlerweile drei Jahren studiert die 22-Jährige nun Psychologie an der größten Universität Londons und lebt, wie sie sagt, in typischen Londoner Verhältnissen: in einer Wohngemeinschaft, in der die Mitbewohner häufig wechseln. Im Studentenwohnheim hielt sie es nicht lange aus: „Die Gegend war fies, die Zimmer stinkig und 40 Studenten mussten sich zwei Küchen teilen. Jede Nacht kotzten Erstsemester vor die Tür.“ Ihr WG-Zimmer kostet monatlich 400 Pfund, etwa 590 Euro. Die Miete zahlen ihre Eltern, alle anderen Kosten finanziert sich die Deutsche über Nebenjobs, zum Beispiel als Kellnerin in einem „Bavarian Beerhouse“.

Auch Judith K. ist sich sicher, dass sie in London ohne Nebenjob keine großen Sprünge machen kann. „Ich muss zum Glück keine Studiengebühren bezahlen, weil ich ein Erasmus-Stipendium habe. Aber da ich weder Geld durch das BAföG bekomme, noch meine Eltern besonders wohlhabend sind, werde ich ziemlich viel arbeiten müssen, um mein Studium in London zu finanzieren.“

Ähnlich geht es dem Großteil der britischen Studenten. Eine Studie der Natwest Bank hat ergeben, dass etwa 87 Prozent aller britischen Studenten einen Nebenjob brauchen, um sich finanziell über Wasser zu halten.„Meine britischen Freunde arbeiten alle nebenher, um sich ihr Studium zu finanzieren“, berichtet Judith.

Trotz der zahlreichen Nebenjobs häuft sich bei den Studenten ein riesiger Schuldenberg an. Doch wer nach dem Studium nur die Schulden aus den Studiengebühren, durchschnittlich 14.000 Euro, abstottern muss, hat es noch relativ gut. Wer in England staatliche Unterstützung für sein Studium erhält, kann mit fast 30.000 Euro Schulden rechnen. Ob das Prädikat „in London studiert“ diese Summen rechtfertigt, muss letztendlich wohl jeder selbst entscheiden.

Erschienen bei ZEIT CAMPUS – online lesen