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Unplugged: Eine Woche ohne Internet, Handy & Co.

Ein Leben ohne E-Mails, SMS und die Lieblingsserie im Fernsehen – paradiesischer Zustand oder unerträglicher Alptraum? UNICUM ABI Autorin Carolin Mader stellte sich selbst auf die Probe.

Meine Familie hat sich in den Urlaub verabschiedet. Die perfekte Gelegenheit, um mein Experiment zu starten: Eine Woche lang will ich den Fernseher mit Missachtung strafen, meinen Computer ignorieren und kein Handy in die Hand nehmen. Vor mir liegen sieben Tage vollkommener Ruhe: Ruhe vor Stars, die ihren Einzug in den Frauenknast zelebrieren, Ruhe vor verzweifelten Freundinnen, die mir die Ohren voll jammern, und Ruhe vor meinem PC, der alle paar Minuten neue Post verkündet. Klingt verlockend, oder?

Freitag

Es ist soweit. Heute soll mein großes Vorhaben beginnen. Warum ich ausgerechnet einen Freitag für den Start meines Experiments gewählt habe? Das ist pure Berechnung. Erstens: An Freitagabenden hat man meist nicht mehr viel Lust, sich an den Computer zu setzen und zu arbeiten. Zweitens: Es kommen selten richtig gute Filme im Fernsehen. Die Versuchung zur Fernbedienung zu greifen hält sich also in Grenzen. Stattdessen greife ich ins Bücherregal. In den vergangenen Wochen hat sich dort einiges angesammelt. Nun habe ich endlich die nötige Zeit zum Lesen und mache es mir mit einem Mitbringsel aus der Londoner Buchhandlung „Waterstone“ auf meinem Bett gemütlich. Das Buch ist gut und die Zeit vergeht so schnell, dass ich gar nicht bemerke, wie ich während des Lesens einschlafe.

Samstag

Mit dem Buch im Arm wache ich am nächsten Morgen auf. Irgendwas ist anders. Nach kurzem Grübeln fällt es mir ein: Meine Stereo-Anlage ist nicht von alleine angesprungen, um mich zu wecken. Mit einem Schulterzucken verschwinde ich ins Badezimmer, danach geht es zum Briefkasten. Dort wartet bereits die Zeitung auf mich, der ich mich heute mal etwas ausführlicher widmen werde. Schließlich habe ich Zeit. Es erwarten mich weder flehende ICQ-Nachrichten, noch telefonische Anfragen wie „Na, was machen wir heute?“ Wer an diesem Wochenende etwas von mir will, muss schon vorbeikommen. Am späten Nachmittag wird mir klar, dass das heute wohl nicht mehr passieren wird. In Erwartung eines weiteren ruhigen Abends besorge ich mir Klebestreifen fürs Fotoalbum. Ich zahle in bar – die EC-Karte erscheint mir zu technisch. Zurück zuhause wühle ich mich dann durch Urlaubsfotos, sortiere nach Jahr und Ort. Exakt zwei Stunden halte ich durch, dann ist mein Fuß eingeschlafen und ich habe keine Lust mehr. Genervt lege ich mich ins Bett bis mich ein jähes Klingeln aus dem Schlaf reißt …

Sonntag

Es war da, es hat geklingelt, ich habe es ganz genau gehört. Langsam wird es wirklich komisch, nichts von der Außenwelt zu hören. Aber einfach so in die Stadt fahren und riskieren, dass niemand zu Hause ist, finde ich doof. Warum bin ich bloß während meines Experiments nicht weggefahren? Im Urlaub langweilt man sich nie. Man besichtigt Museen, lümmelt am Strand, geht feiern und das Wichtigste, man fährt meistens mit jemandem zusammen. Alleine zu sein ist irgendwie nicht mein Ding. Doch nach zehn Minuten Genörgel sucht sogar meine Katze das Weite. Kein Wunder! Ich sollte einfach das Positive sehen. Ich habe Zeit für all die Dinge, die in letzter Zeit auf der Strecke geblieben sind. Kleiderschrank ausmisten, auf Shoppingtour gehen, lesen, Briefe schreiben, auf der Terrasse liegen und einfach mal die Seele baumeln lassen. Hoffentlich reichen die übrigen vier Tage überhaupt dafür

Montag

Nachdem ich gestern einen kleinen Durchhänger hatte, genieße ich die Ruhe heute umso mehr. Am Vormittag widme ich mich meinem Kleiderschrank. Ich wusste gar nicht, wie viel Chaos sich in so einem Ding ansammeln kann. Bis zum frühen Nachmittag bin ich damit beschäftigt, verschollen geglaubte Schätze wieder zu finden und alte Klamotten für das Rote Kreuz zu verpacken. Ich vermisse nichts, weder mein Handy, noch Fernsehen oder Internet. Erst als der Zeiger meiner Uhr sich in Richtung 15 Uhr bewegt, denke ich an meine Lieblingsserie, die heute leider ohne mich laufen muss. Ich setze mich stattdessen mit Block und Stift auf die Terrasse und lasse meiner Phantasie freien Lauf.

Dienstag

Inzwischen vermisse ich den Weckruf meiner Stereo-Anlage gar nicht mehr. Ruhe ist schon was Feines, allerdings muss ich unbedingt mal wieder unter Leute. Die Welt könnte untergehen und ich würde nichts davon mitbekommen. Ich mache mich also auf den Weg in die Stadt und siehe da, direkt vor meiner Lieblingsbuchhandlung läuft mir eine Freundin in die Arme. Der Tag ist gerettet. Kaffee trinken, klatschen, tratschen, Shopping- Tour und am Abend mit leerem Portmonee nach Hause. So macht das Leben Spaß.

Mittwoch

Mein Vormittag verläuft relativ unspektakulär. Nach dem Aufstehen folgt das übliche Programm: Faulenzen bis der Arzt kommt, heute gepaart mit dem Wälzen des IKEA-Katalogs. Bunte Kissen, lustige Accessoires und Deko-Ideen lassen jedes Frauenherz höher schlagen. Aber irgendwie wird es mir dann doch zu langweilig. Gut, dass sich meine Großeltern bereits vor meinem Experiment zum Kaffee angemeldet haben. Ich wirble durch die Küche, backe eine Ananas-Joghurt-Torte, werfe den Staubsauger an und bringe das Haus auf Hochglanz. Nach dem Besuch von Omi und Opi bin ich ganz schön K.O., trotzdem gehe ich noch zu unserem wöchentlichen Mädels-Abend aber heute bleibt dabei der Fernseher aus!

Donnerstag

Mein einziger Gedanke gilt heute all den Dingen, auf die ich in den letzten sieben Tagen verzichten musste. Musste? Nun gut, es war meine Idee zu sagen: „Ich brauche keine Unterhaltungstechnik, ich unterhalte mich selbst am besten.“ Auf die Dauer ist es aber irgendwie schon nervig, vollkommen ohne Handy, PC, MP3-Player und Fernseher zu leben. Man weiß nicht, was in der Welt passiert und kann einfach nicht mitreden. Noch mal muss ich das nicht haben. Ich bin heute ungewohnt nervös, kann mich nicht richtig konzentrieren und würde mich jemand ansprechen, würde er sich wahrscheinlich denken: „Was für ’ne launische Zicke!“ Sind das Entzugserscheinungen?

Donnerstag, 24 Uhr

Wow! Ich habe es ausgehalten, aber jetzt hält mich nichts mehr. Ich schalte alle Geräte, die ich finden kann auf einmal an, surfe durchs Netz, lese E-Mails und SMS-Nachrichten und lasse den Fernseher laufen, nur um zu sehen, dass er noch funktioniert. Welt, du hast mich wieder!

Erschienen bei UNICUM ABI – online lesen