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Studium in London: Teuer, aber toll

Ein Studium in der britischen Hauptstadt ist beliebt wie nie. Trotz der drastisch erhöhten Studiengebühren steigt die Zahl der Bewerber an den 13 Londoner Hochschulen.

Bis Englands Ex-Premierminister Tony Blair im vergangenen Jahr die Erhöhung der Studiengebühren für englische Universitäten durchboxen konnte, musste er nicht nur viel Kritik von Parteikollegen und Opposition einstecken, sondern auch von seiner eigenen Frau: „Hätte ich keine staatliche Unterstützung erhalten, um an die Universität zu gehen, hätte ich arbeiten müssen“, klagte die Juristin. Britische Hochschulexperten sahen die Studentenzahlen wegen der hohen Kosten bereits einbrechen.

Blairs Kritiker mussten nun feststellen, dass sie sich geirrt haben. Trotz eines massiven Anstiegs der Studiengebühren um bis zu 50 Prozent hoffen in diesem Jahr nämlich so viele Schulabgänger wie selten zuvor auf einen Studienplatz an einer der 13 Londoner Universitäten. „Im letzten Jahr haben sich 394.355 Schulabgänger um einen Studienplatz in London beworben. In diesem Jahr waren es ungefähr 495.000“, sagt Byron Price vom Universities and Colleges Admissions Service (UCAS), einer mit der deutschen ZVS vergleichbaren Institution im Vereinigten Königreich. Das Imperial College hat in diesem Jahr 1537 Bewerber mehr als im Vorjahr, und auch die Kingston University konnte einen Bewerberzuwachs von fast sechs Prozent verzeichnen. Ähnliche Entwicklungen vermelden die übrigen Hochschulen der Hauptstadt.

Richard Broom, Zulassungskoordinator an der Londoner City University, bestätigt den Trend zur wachsenden Studienbereitschaft für seine Hochschule. „Studenten sehen die Gebühren als eine kurzfristige Anlage mit langfristiger Wirkung.“ Auch den guten Ruf der jeweiligen Universität und die exzellenten Aussichten auf dem Arbeitsmarkt ließen sich die zukünftigen Akademiker gerne etwas kosten, sagt der Universitätsangestellte. „Studenten, die zu uns kommen, wissen, dass sie eine exzellente Ausbildung erwartet.“

Eine hervorragende Ausbildung ist es, was die Studienanfänger in der britischen Metropole suchen. Gleich nach Hauptstadtflair, Szeneclubs und Trendfaktor UK. Im landesweiten Vergleich gehören fast alle Londoner Unis neben Oxford und Cambridge zu den Top-Kandidaten in universitären Rankings.

Das lockte auch Jil Dallmayr an die Themse. Seit dem vergangenen Jahr studiert die 19-jährige Münchnerin an der City University Jura. „Natürlich ist die Stadt sehr teuer“, sagt sie. Zu den Studiengebühren kommen schließlich noch hohe Mieten, Kosten für Strom, Nahverkehr und die großen und kleinen Freuden des Studentenlebens.

Jährlich, so informiert der British Council Germany auf seiner Homepage, müssten Studenten in der teuersten Stadt der Europäischen Union mit bis zu 10.000 Pfund, zirka 15.000 Euro, rechnen, um die Kosten für ihren Grundbedarf zu decken. Dazu kommen für die Londoner Universitäten außerdem jährlich noch einmal 3070 Pfund, also etwas mehr als 4500 Euro, für die Studiengebühren, die sogenannten Tuition Fees.

Doch über 60.000 englische und internationale Studenten zeigen mit ihrer Bewerbung an einer Londoner Universität, dass sie diese Summe in Kauf nehmen. So auch Judith K.. An der „School of Oriental und African Studies“ (SOAS) nimmt die 21-Jährige aus Baden-Württemberg im Wintersemester ihr Studium der „African Studies“ auf. „Die SOAS gehört europaweit zu den besten Unis in meinem Fachbereich“, sagt sie. Den wahren Grund für ihre Entscheidung schiebt sie erst ein wenig später hinterher: „In erster Linie habe ich mich aber für London entschieden, weil ich die Stadt schon immer mochte.“

Auch Lucie Brochhausen aus Heidelberg kam nicht nur aus fachlichen Gründen nach England: „Die London Metropolitan University war Partner-Uni meiner vorherigen Universität, der Universiteit Maastricht, und hatte einfach das bessere Fächerangebot. Da ich schon lange für England, Engländer und den englischen Akzent schwärme, ergab sich daraus mein Wechsel.“ Seit mittlerweile drei Jahren studiert die 22-Jährige nun Psychologie an der größten Universität Londons und lebt, wie sie sagt, in typischen Londoner Verhältnissen: in einer Wohngemeinschaft, in der die Mitbewohner häufig wechseln. Im Studentenwohnheim hielt sie es nicht lange aus: „Die Gegend war fies, die Zimmer stinkig und 40 Studenten mussten sich zwei Küchen teilen. Jede Nacht kotzten Erstsemester vor die Tür.“ Ihr WG-Zimmer kostet monatlich 400 Pfund, etwa 590 Euro. Die Miete zahlen ihre Eltern, alle anderen Kosten finanziert sich die Deutsche über Nebenjobs, zum Beispiel als Kellnerin in einem „Bavarian Beerhouse“.

Auch Judith K. ist sich sicher, dass sie in London ohne Nebenjob keine großen Sprünge machen kann. „Ich muss zum Glück keine Studiengebühren bezahlen, weil ich ein Erasmus-Stipendium habe. Aber da ich weder Geld durch das BAföG bekomme, noch meine Eltern besonders wohlhabend sind, werde ich ziemlich viel arbeiten müssen, um mein Studium in London zu finanzieren.“

Ähnlich geht es dem Großteil der britischen Studenten. Eine Studie der Natwest Bank hat ergeben, dass etwa 87 Prozent aller britischen Studenten einen Nebenjob brauchen, um sich finanziell über Wasser zu halten.„Meine britischen Freunde arbeiten alle nebenher, um sich ihr Studium zu finanzieren“, berichtet Judith.

Trotz der zahlreichen Nebenjobs häuft sich bei den Studenten ein riesiger Schuldenberg an. Doch wer nach dem Studium nur die Schulden aus den Studiengebühren, durchschnittlich 14.000 Euro, abstottern muss, hat es noch relativ gut. Wer in England staatliche Unterstützung für sein Studium erhält, kann mit fast 30.000 Euro Schulden rechnen. Ob das Prädikat „in London studiert“ diese Summen rechtfertigt, muss letztendlich wohl jeder selbst entscheiden.

Erschienen bei ZEIT CAMPUS – online lesen