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Bewerbungen meistern: Angst vor Englisch

Englisch im Vorstellungsgespräch? Für viele Jobsuchende ein Horror. Was zu beachten ist, wenn der Personaler die Sprachkenntnisse auf ihren Wahrheitsgehalt prüft.

Wer sich bei internationalen Unternehmen um einen Job bewirbt, muss damit rechnen, dass die guten Englischkenntnisse nicht nur vorausgesetzt, sondern auch getestet werden. Fließend und verhandlungssicher – viele Personalchefs prüfen im Vorstellungsgespräch, ob die genannten Sprachkenntnisse wirklich zutreffend sind.

Während Wegbeschreibungen für verirrte Touristen oder die Bestellung im Urlaub leicht von der Hand gehen, stellt das englischsprachige Bewerbungsgespräch für so manchen ein unüberwindbares Hindernis zum Traumjob dar. Besonders, wenn der Wechsel zwischen den Sprachen überraschend erfolgt, bricht bei vielen Bewerbern Panik aus.

Schwitzige Hände, nervöse Flecken, hilfloses Stammeln. Tom Wendt, Vorstandsmitglied eines großen Unternehmens, hat viele qualifizierte Kandidaten scheitern sehen, wenn er die Kandidaten mit Bestnoten und Traumarbeitszeugnissen unvermittelt im Bewerbungsgespräch aufforderte: “Let’s speak English, now”. „Viele Bewerber legen sich die Antworten auf mögliche Fragen zwar auf Deutsch zurecht, aber nur wenige rechnen damit, dass wir sie auf Englisch oder je nach Stelle auch in anderen Fremdsprachen nach ihren Erfahrungen befragen.“

In international tätigen Unternehmen oder Tochterunternehmen weltweiter Konzerne gehört es jedoch für Bewerber zum guten Ton, tadellose Englischkenntnisse auch spontan unter Beweis stellen zu können. Meist wissen die Jobbewerber gar nicht, ob ihre Englischkenntnisse fließend sind und wann verhandlungssicher. Viele schätzen sich zu gut ein oder tricksen.

Wer sich nicht sicher ist, welches Sprachlevel er hat, kann sich an den sechs Niveaustufen orientieren, welche die Association of Language Testers in Europe (ALTE) geschaffen hat. Von Anfänger (A1) bis fast muttersprachliche Kompetenz (C2), beschreibt die Tabelle, die einen Referenzrahmen für das Sprachniveau innerhalb der Europäischen Gemeinschaft bildet, welche Kenntnisse innerhalb der einzelnen Stufen von einem Bewerber erwartet werden können. Gibt ein Kandidat in seiner Bewerbung die Kenntnisstufe C2 an, so muss er laut Referenzrahmen in der Lage sein, „mit akademisch oder kognitiv anspruchsvollem Material umzugehen und Sprache mit gutem Erfolg auf einem Leistungsniveau zu benutzen, das in mancher Hinsicht fortgeschrittener sein mag als das eines durchschnittlichen Muttersprachlers“.

Annika Pabsch ist selbstständige Dozentin für Business Englisch und hat im britischen Bath sowie in Brüssel Englischkurse für Absolventen und Berufstätige gegeben. In ihren Seminaren vermittelt sie Bewerbern, wie sie Personalchefs von sich und ihren Sprachkenntnissen überzeugen und ihre Sprachkenntnisse schnell und effektiv aufpolieren können. Am Wichtigsten, sagt die Expertin, sei eine professionelle und auf das jeweilige Unternehmen abgestimmte Vorbereitung. „Bevor ich ins Bewerbungsgespräch gehe, muss ich als Bewerber wissen, wie das Unternehmen aufgebaut ist, welche aktuellen Entwicklungen in der Branche vor sich gehen, wie das Unternehmen funktioniert. Habe ich all diese Informationen gesammelt, kann ich mich inhaltlich und sprachlich auf das eigentliche Gespräch vorbereiten.“

Für die Expertin heißt das, den Lebenslauf zu verinnerlichen und zu übersetzen. „Ist man ganz unsicher, kann man Englischstunden nehmen. In jeder Stadt gibt es Englischlehrer, bei denen man individuelle Sitzungen buchen kann, um sich vor dem Bewerbungsgespräch intensiv auf dieses vorzubereiten“, rät sie. Auch Rollenspiele mit Freunden können helfen, mehr noch, wenn diese auf Kamera aufgenommen und anschließend angeschaut werden. Diese Übung gebe den Bewerbern, für die ein deutschsprachiges Bewerbungsgespräch bereits eine Stresssituation darstelle, Sicherheit und einen Anknüpfungspunkt für Verbesserungen. Annika Patsch rät davon ab, nur Grammatik und Vokabeln zu pauken. „Einzelne Worte, die man für seine Tätigkeitsbeschreibung braucht, sind in Ordnung, aber das Auswendiglernen ganzer Wörterlisten oder komplizierter Grammatikregeln bringen nichts außer totaler Verunsicherung, denn die Vokabeln vergisst man während des Vorstellungsgespräches garantiert“, sagt sie. Besser sei es, verschiedene Gesprächssituationen  zu üben oder englische Texte zu lesen. Dazu eignen sich englische Newssites, wie die des Guardian, der New York Times oder der BBC. Dies trage dazu bei, sich Satzstrukturen leichter und unbewusst zu erschließen – Fähigkeiten, von denen man im Gespräch profitiert.

Sprachkenntnisse allein sind aber noch kein Garant für den Erfolg der Bewerbung. Gerade in englischsprachigen Unternehmen dreht sich alles um die berufliche Erfahrung. Titel und Auszeichnungen sind für den Personaler daher nicht so wichtig wie die eigentliche Tätigkeit des Bewerbers. „Zeugnisse und unzählige Bestätigungen können zu Hause bleiben, wenn man sich bei einem britischen oder amerikanischen Unternehmen um eine Anstellung bewirbt. Viel interessanter ist es für den Interviewer zu erfahren, welche Erfolge ein Bewerber vorweisen kann, welche Beziehungen oder Kontakte er in der Branche hat“, sagt Pabsch. Wer nicht nur mit Sprachkenntnissen, sondern auch Können und dem richtigen Profil von sich überzeugen kann, ist auf der Bewerbungsleiter schon ein ganzes Stück weiter. Der Rest ist dann wohl Sympathie und Glück.

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Studium in London: Teuer, aber toll

Ein Studium in der britischen Hauptstadt ist beliebt wie nie. Trotz der drastisch erhöhten Studiengebühren steigt die Zahl der Bewerber an den 13 Londoner Hochschulen.

Bis Englands Ex-Premierminister Tony Blair im vergangenen Jahr die Erhöhung der Studiengebühren für englische Universitäten durchboxen konnte, musste er nicht nur viel Kritik von Parteikollegen und Opposition einstecken, sondern auch von seiner eigenen Frau: „Hätte ich keine staatliche Unterstützung erhalten, um an die Universität zu gehen, hätte ich arbeiten müssen“, klagte die Juristin. Britische Hochschulexperten sahen die Studentenzahlen wegen der hohen Kosten bereits einbrechen.

Blairs Kritiker mussten nun feststellen, dass sie sich geirrt haben. Trotz eines massiven Anstiegs der Studiengebühren um bis zu 50 Prozent hoffen in diesem Jahr nämlich so viele Schulabgänger wie selten zuvor auf einen Studienplatz an einer der 13 Londoner Universitäten. „Im letzten Jahr haben sich 394.355 Schulabgänger um einen Studienplatz in London beworben. In diesem Jahr waren es ungefähr 495.000“, sagt Byron Price vom Universities and Colleges Admissions Service (UCAS), einer mit der deutschen ZVS vergleichbaren Institution im Vereinigten Königreich. Das Imperial College hat in diesem Jahr 1537 Bewerber mehr als im Vorjahr, und auch die Kingston University konnte einen Bewerberzuwachs von fast sechs Prozent verzeichnen. Ähnliche Entwicklungen vermelden die übrigen Hochschulen der Hauptstadt.

Richard Broom, Zulassungskoordinator an der Londoner City University, bestätigt den Trend zur wachsenden Studienbereitschaft für seine Hochschule. „Studenten sehen die Gebühren als eine kurzfristige Anlage mit langfristiger Wirkung.“ Auch den guten Ruf der jeweiligen Universität und die exzellenten Aussichten auf dem Arbeitsmarkt ließen sich die zukünftigen Akademiker gerne etwas kosten, sagt der Universitätsangestellte. „Studenten, die zu uns kommen, wissen, dass sie eine exzellente Ausbildung erwartet.“

Eine hervorragende Ausbildung ist es, was die Studienanfänger in der britischen Metropole suchen. Gleich nach Hauptstadtflair, Szeneclubs und Trendfaktor UK. Im landesweiten Vergleich gehören fast alle Londoner Unis neben Oxford und Cambridge zu den Top-Kandidaten in universitären Rankings.

Das lockte auch Jil Dallmayr an die Themse. Seit dem vergangenen Jahr studiert die 19-jährige Münchnerin an der City University Jura. „Natürlich ist die Stadt sehr teuer“, sagt sie. Zu den Studiengebühren kommen schließlich noch hohe Mieten, Kosten für Strom, Nahverkehr und die großen und kleinen Freuden des Studentenlebens.

Jährlich, so informiert der British Council Germany auf seiner Homepage, müssten Studenten in der teuersten Stadt der Europäischen Union mit bis zu 10.000 Pfund, zirka 15.000 Euro, rechnen, um die Kosten für ihren Grundbedarf zu decken. Dazu kommen für die Londoner Universitäten außerdem jährlich noch einmal 3070 Pfund, also etwas mehr als 4500 Euro, für die Studiengebühren, die sogenannten Tuition Fees.

Doch über 60.000 englische und internationale Studenten zeigen mit ihrer Bewerbung an einer Londoner Universität, dass sie diese Summe in Kauf nehmen. So auch Judith K.. An der „School of Oriental und African Studies“ (SOAS) nimmt die 21-Jährige aus Baden-Württemberg im Wintersemester ihr Studium der „African Studies“ auf. „Die SOAS gehört europaweit zu den besten Unis in meinem Fachbereich“, sagt sie. Den wahren Grund für ihre Entscheidung schiebt sie erst ein wenig später hinterher: „In erster Linie habe ich mich aber für London entschieden, weil ich die Stadt schon immer mochte.“

Auch Lucie Brochhausen aus Heidelberg kam nicht nur aus fachlichen Gründen nach England: „Die London Metropolitan University war Partner-Uni meiner vorherigen Universität, der Universiteit Maastricht, und hatte einfach das bessere Fächerangebot. Da ich schon lange für England, Engländer und den englischen Akzent schwärme, ergab sich daraus mein Wechsel.“ Seit mittlerweile drei Jahren studiert die 22-Jährige nun Psychologie an der größten Universität Londons und lebt, wie sie sagt, in typischen Londoner Verhältnissen: in einer Wohngemeinschaft, in der die Mitbewohner häufig wechseln. Im Studentenwohnheim hielt sie es nicht lange aus: „Die Gegend war fies, die Zimmer stinkig und 40 Studenten mussten sich zwei Küchen teilen. Jede Nacht kotzten Erstsemester vor die Tür.“ Ihr WG-Zimmer kostet monatlich 400 Pfund, etwa 590 Euro. Die Miete zahlen ihre Eltern, alle anderen Kosten finanziert sich die Deutsche über Nebenjobs, zum Beispiel als Kellnerin in einem „Bavarian Beerhouse“.

Auch Judith K. ist sich sicher, dass sie in London ohne Nebenjob keine großen Sprünge machen kann. „Ich muss zum Glück keine Studiengebühren bezahlen, weil ich ein Erasmus-Stipendium habe. Aber da ich weder Geld durch das BAföG bekomme, noch meine Eltern besonders wohlhabend sind, werde ich ziemlich viel arbeiten müssen, um mein Studium in London zu finanzieren.“

Ähnlich geht es dem Großteil der britischen Studenten. Eine Studie der Natwest Bank hat ergeben, dass etwa 87 Prozent aller britischen Studenten einen Nebenjob brauchen, um sich finanziell über Wasser zu halten.„Meine britischen Freunde arbeiten alle nebenher, um sich ihr Studium zu finanzieren“, berichtet Judith.

Trotz der zahlreichen Nebenjobs häuft sich bei den Studenten ein riesiger Schuldenberg an. Doch wer nach dem Studium nur die Schulden aus den Studiengebühren, durchschnittlich 14.000 Euro, abstottern muss, hat es noch relativ gut. Wer in England staatliche Unterstützung für sein Studium erhält, kann mit fast 30.000 Euro Schulden rechnen. Ob das Prädikat „in London studiert“ diese Summen rechtfertigt, muss letztendlich wohl jeder selbst entscheiden.

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